Wer einen Spaziergang durch die Bonner Südstadt macht, kommt auf dem einen oder anderen Weg an der Adenauerallee vorbei. Benannt nach dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschlands, beheimatet sie einige der wichtigsten politischen Institutionen aus der Parlaments- und Regierungszeit der ehemaligen westdeutschen Hauptstadt. Darunter befindet sich auch das Auswärtige Amt. Unscheinbar, versteckt hinter den hochragenden Linden und ein wenig trostlos im Stile der 50er Jahre, schenkt man dem farblosen Gebäude höchstens beim Vorbeigehen an der groß angelegten Informationstafel kurz Beachtung - wenn überhaupt.
Ganz im Kontrast zu dieser Wahrnehmung steht jedoch seine Bedeutung für die Geschichte Deutschlands. Denn das Auswärtige Amt ist nach wie vor von zentraler Bedeutung und involviert in weltpolitisch wichtige Angelegenheiten, die uns alle auf die eine oder andere Weise betreffen: Sei es bei der Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem umkämpften Sudan, Hilfe für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien oder der Unterstützung der Widerstandsbewegung im Iran.
Die Anfänge
2020 feierte das Auswärtige Amt sein 150-jähriges Bestehen und blickt damit auf ein beträchtliches Stück Geschichte zurück, das bis in die Kaiserzeit zurückreicht. Am 8. Januar 1870 unterzeichnete Otto von Bismarck den Gründungserlass für das Auswärtige Amt, den Namen, den wir bis jetzt noch für das Zentrum der auswärtigen Dienste benutzen. Anders als heute gab es damals im Auswärtigen Amt nur zwei Abteilungen im gesamten Ministerium.
Zur Zeit des Nationalsozialismus
Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden auch NSDAP-Funktionäre in den diplomatischen Dienst übernommen. Inwiefern das Auswärtige Amt konkret an den Verbrechen des „Dritten Reiches” beteiligt war und wie man dieses Wissen in der Nachkriegszeit handhabte, wurde erst 2005 von einer unabhängigen Historikerkommission aufgearbeitet. Die fünf Jahre später veröffentlichten Ergebnisse legen die erschreckende Tiefe der Involvierung an den Kriegs- und Menschheitsverbrechen, insbesondere an den europäischen Juden, dar.
Außenpolitik in Bonn
Die Einteilung Deutschlands in vier von den Alliierten kontrollierten Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg war ein entscheidender Punkt für den weiteren Verlauf der Nachkriegszeit. Das geteilte Berlin, das inmitten der sowjetischen Besatzungszone lag, konnte nicht mehr als Regierungssitz genutzt werden. Somit fiel die Entscheidung für den vorläufigen Standort auf Bonn. Im März 1951 wurde der jungen Republik dann die Wiedergründung des Auswärtigen Amts genehmigt. Bundeskanzler Konrad Adenauer übernahm dafür die Leitung. Die bereits erwähnte Unabhängige Historikerkommission zeigte, dass in der Anfangszeit in Bonn rund 40 Prozent der Beschäftigten Mitglieder der NSDAP gewesen seien. Adenauer vertrat die Besetzung des Personal mit dem Vorwand, dass man zumindest übergangsweise an den leitenden Stellen erfahrene Diplomaten beibehalten sollte.
Der Bau des Gebäudes begann 1953 und war zum Zeitpunkt der Fertigstellung 1955 als einer der ersten Neubauten auch der größte Verwaltungskomplex der Bundesrepublik. Fokus der neu anfangenden Außenpolitik war der Erhalt von Frieden durch die sogenannte „Westbindung” und eine klare Abgrenzung von der kommunistischen Sowjetunion und der Deutsch Demokratischen Republik (DDR). Auf diese Weise sollte eine schnellere Souveräntiät für die Bundesrepublik erreicht werden. Unter Brandt und Scheel wurde der Handlungsspielraum des außenpolitischen Kurses in den 1970er-Jahren durch die “neue Ostpolitik” ausgeweitet. Es folgten vermehrt Annäherungen an die DDR und die Anerkennung eines „zweiten deutschen Staates”. Nach dem Mauerfall wurde 1990 im Weltsaal des Auwärtigen Amts die völkerrechtliche Souveränität im Zuge der Wiedervereinigung verhandelt. Ende der 1990er Jahre kehrte das Auswärtige Amt dann an seinen ursprünglichen Standort nach Berlin zurück. Heute ist Bonn der zweite Dienstsitz des Auswärtigen Amts und auch des Bundejustizministeriums.
Die Geschichte des Auswärtigen Amts ist eine Geschichte Deutschlands. Auch wenn das unauffällige Gebäude in Bonn mittlerweile außenpolitisch gewissermaßen vor sich hin schlummert, bleibt es doch eine wichtige Erinnerungsstätte an die Bemühungen, Deutschland wiederzuvereinen. Es symbolisiert den Wandel und die Neuausrichtungen der Außenpolitik im Auswärtigen Amt, die sich seit der Gründung 1870 bis zum heutigen Tage abzeichnen.
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